„Weißt du, ich bin mit dem Gedanken noch überfordert, gleich zwei Babys zu bekommen!“, sagte eine Patientin vor kurzem zu mir in der Ordination.
Dass die Freude über gleich doppelten Nachwuchs nicht gleich grenzenlos überwiegt, sondern so eine Nachricht auch von Sorgen, Ängsten und Unsicherheit begleitet ist, ist durchaus legitim.
In Österreich werden im Moment etwa 1200 Zwillingsschwangerschaften registriert. Grundsätzlich geht man davon aus, dass 1 von 86 Schwangerschaften eine Zwillingsschwangerschaft ist. Bei anderen Mehrlingsformen, wie Drillingen und Vierlingen, ist die Rate 1:7400 und 1:640.000.
Das doppelte Glück – herausfordernd(er) aber wunderschön
Eine Zwillingsschwangerschaft ist grundsätzlich eine sehr positive Nachricht für die Eltern, gilt aber in der Fachwelt als sogenannte Risikogeburt. Das Risiko für eine Frühgeburt, die Entwicklung von Schwangerschaftserkrankungen wie Diabetes, Präeklampsie oder Probleme mit der Plazenta ist in einer Zwillingsschwangerschaft erhöht.
Aus geburtshilflicher Sicht besteht somit eine zusätzliche Herausforderung für die Hebamme und Geburtshelfer*in.
Bereits die Begleitung der Schwangerschaft seitens der Gynäkolog*innen erfordert eine Abklärung bestimmter Parameter, um die Schwangerschaft und in weiterer Folge die Geburt unter optimalen Bedingungen zu begleiten.
Auch unangenehme Beschwerden wie Müdigkeit, oder auch zum Ende der Schwangerschaft vor allem Schlafstörungen, Unbeweglichkeit oder auch Atemnot sind natürlich bei Mehrlingen häufiger und stärker vertreten.
Zwilling ist nicht gleich Zwilling
Es gibt verschiedenste Arten von Zwillingen (Gemini). Was die meisten kennen sind eineiige und zweieiige Zwillinge.
Bei Letzteren entwickeln sich aus 2 befruchteten Eizellen je ein Kind. Dies betrifft etwa zwei Drittel der Zwillingsgeburten. Diese beiden Kinder sind somit Geschwisterkinder, die sich zur selben Zeit im Bauch der Mutter befinden.
Wesentlich seltener, und somit etwas ganz Besonderes ist es, sogenannte eineiige Zwillinge zu bekommen. Dies betrifft etwa 1/3 der Zwillinge. Sie sehen sich deshalb zum Verwechseln ähnlich, weil sie das gleiche Erbgut in sich tragen – natürlich haben sie auch immer dasselbe Geschlecht.
Je früher sich das befruchtete Ei zu Zwillingen teilt, desto „getrennter“ befinden sich die Zwei im Bauch. So kommt es wesentlich häufiger vor, dass die Zwillinge zwei extra Plazenten und zwei extra Fruchtsäcke oder auch eine gemeinsame Plazenta und zwei separate Fruchtsäcke haben.
Die seltenste Form einer Zwillingsanlage ist die sogenannte Monochoriale-Monoamniale Geminianlage. Das bedeutet, dass beide Kinder sich eine Plazenta und eine Fruchthöhle teilen. Dies kommt nur bei etwa 1% aller Zwillingen vor. Diese Form ist aber auch diejenige, die am meisten Begleitung und Überwachung braucht und dann heutzutage aus Risikogründen auch nicht als eine vaginale Geburt in Frage kommt.
Termingeburten (ab der vollen 37. SSW) unter Zwillingen sind je nach Kindslage sowohl spontan als auch als Kaiserschnittgeburt möglich. Diese Entbindungen finden sinnvollerweise in einem Level 1 Krankenhaus mit – für den Notfall – vielen helfenden Händen und vor allem den unterschiedlichen Berufsgruppen statt. Die Voraussetzung dafür sind eine gesunde, normale Zwillingsschwangerschaft und beide Kinder oder zumindest das erste führende Baby in Schädellage.
„Es ist möglich Zwillinge zu stillen. Die Natur sorgt dafür, ausreichend Muttermilch zur verfügung zu stellen.“
Vaginale Zwillingsgeburt – eine gute Geburtsplanung verringert Ängste
Unter diesen Voraussetzungen läuft eine angestrebte vaginale Geburt relativ normal ab. Allerdings kann eine Zwillingsgeburt, durch die von der Schwangerschaft bereits beanspruchte überdehnte Gebärmutter, etwas länger dauern.
Die Frau kommt mit regelmäßigen Wehen oder Blasensprung in die Klinik und wird bis zur Geburt hauptsächlich von der Hebamme betreut. Zur Geburt kommt dann ein Oberarzt/Ärztin und ein Assistenzarzt/Ärztin hinzu. Die Frauen dürfen auch, solange die Herztöne der Kinder in Ordnung sind, verschiedene Geburtspositionen einnehmen und auch in verschiedenen Geburtspositionen entbinden. Beispielsweise wird oft eine knieende oder sitzende oder auch die Geburt in Seitenlage gewählt.
Ist das erste Baby geboren, wird es in diesem Fall zunächst kurz auf den Bauch der Mutter gelegt und etwas zügiger abgenabelt. Dies ist erforderlich, weil kurz nach der Druckentlastung durch die Geburt des ersten Kindes sichergestellt werden muss, dass sich das Kind in eine geburtsmögliche Lage begibt und die verbliebene Plazenta des zweiten Kindes noch immer gut versorgt. Anschließend darf gleich der Papa sein erstes Kind im Kreißsaal halten, während innerhalb der nächsten Stunde (meist etwa in den darauffolgenden 20 Minuten) sich das zweite Baby auf den Weg auf die Welt macht.
Manchmal kann es vorkommen, dass das zweite Baby in eine Querlage abdriftet oder die Herztöne nicht mehr in Ordnung sind. In diesem Fall könnte dann ein Notkaiserschnitt notwendig sein.
Daher macht eine gute Geburtsplanung in der Ambulanz des entbindenden Krankenhauses von ärztlicher Seite, aber auch ein Geburtsplanungsgespräch mit einer Hebamme, viel Sinn. Hierbei können Unsicherheiten, Falschmeldungen und auch Ängste ausgeräumt oder reduziert werden.
Wochenbett mit zwei Babys – holt Euch helfende Hände
In dieser Situation macht es durchaus Sinn, sich neben der Hebammenwochenbettbetreuung Hilfe zur Unterstützung der Familie in der ersten Zeit zu holen. Familienangehörige oder Freund*innen sind oft unerlässlich für die junge Mutter, denn der Mehraufwand – alleine, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen – ist doch beachtlich.
Es ist durchaus möglich, Zwillinge zu stillen. Die Natur sorgt dafür, ausreichend Muttermilch zur Verfügung zu stellen. Entweder beide gleichzeitig (Tandemstillen) oder auch jedes Kind einzeln. Je nach Tages- oder Nachtzeit hat beides seine Vor- und Nachteile. Kommen die Kinder beispielsweise hintereinander zum Trinken, kann man dafür im Liegen stillen und sich dabei etwas ausruhen oder sogar schlafen.
Kommen die Babys gleichzeitig, ermöglicht das Tandemstillen eine raschere Fütterung. Zwillinge – sofern sie zusammen in einem Bett liegen dürfen – akzeptieren in der Regel schneller als Einlinge, dass sie im Beistellbett oder Gitterbett schlafen sollen.
Um Zwillingseltern und vor allem die stillende Mutter bestmöglich zu unterstützen, sollte der Alltag, wie etwa Essen, Haushalt, Einkaufen etc. unterstützt werden. Ich empfehle den Eltern bereits in der Schwangerschaft mit der Suche von solchen Helfer*innen in ihrem Verwandtschafts- und Bekanntenkreis zu beginnen.
Eine zusätzliche Herausforderung für werdende Zwillingseltern ist die finanzielle Situation. Man braucht vieles wie beispielsweise Gitterbett, Kindersitz fürs Auto, Gewand, Windeln etc. in doppelter Ausführung. Auch um speziellere Dinge wie Zwillingskinderwagen oder auch Zwillingsstillkissen kommt man nicht umher. Oft besteht heutzutage schon sehr einfach die Möglichkeit, über das Internet zu gebrauchten Utensilien von anderen Zwillingsfamilien zu kommen. Auch Tipps von Gleichgesinnten sind in der Regel sehr hilfreich für die werdenden Eltern.
Unterstützung für Zwillingseltern in Österreich
Öffentliche Unterstützungen in Österreich
Von der öffentlichen Hand gibt es ebenfalls zusätzliche Unterstützungen wie den Mehrlingszuschlag beim Elterngeld.
Der Mutterschutz ist im Falle einer Mehrlingsgeburt nach der Geburt von 8 Wochen auf 12 Wochen verlängert.
Trotz der etwas größeren Herausforderung, wenn gleich zwei Babys auf einmal kommen, darf man sich über so ein doppeltes Geschenk der Natur sehr freuen und guter Dinge sein!
„….dein Baby kommt gleich mit einem Geschwisterchen zur Welt und wird auf ewig mit diesem verbunden sein!“, teile ich meiner Patientin am Ende unseres Gespräches mit und denke an meine eigenen Zwillingsschwestern.
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